Das Geschäft mit dem Internet: Ein mühsames Puzzle

Von Sandra Hoferichter

 

Mangels eines angemessenen politischen Rahmens, unterliegt das Internet in Europa Schwankungen, Widersprüchen und selbst Unvereinbarkeiten nationaler politischer Initiativen.

 

Europa hat es weitgehend versäumt, ein geeignetes „Ecosystem“ zu schaffen, um das Wachstum neuer ICT-Unternehmen und verwandter Sektoren zu ermutigen, die dem wirtschaftlich kränkelnden Kontinent aus der Krise helfen könnten. Gemäss Forschungsergebnissen der Denkfabrik Bruegel, sind keine Anzeichen für einen gemeinsamen digitalen Markt zu erkennen und stattdessen fragmentierte Rechte-Regimes wie veraltete Ausrichtungen an Unternehmenskulturen vorherrschend.

 

Inzwischen gibt es 427 Millionen Internet-Nutzer in Europa über 28 Märkte verstreut. Vergleicht man die mangelnde politische Harmonisierung verbunden mit der Vielfalt von Sprachen, Sitten und Arbeitsprozessen, lässt sich kaum verkennen, wie unstabil das Fundament für ein gemeinsames Vorgehen bei Internetfragen in Europa wirklich ist.

 

Eine europäische Perspektive schaffen

Politische Debatten übers Internet und dessen Regulierung auf europäischer Ebene bieten eine geeignete Plattform für den Austausch gemeinsamer Interessen, Anliegen und Herausforderungen, um diese auf globaler Bühne besser zu vertreten. Der Europäische Dialog über Internet Steuerung (EuroDIG) ist ein regionaler Ableger des globalen Internet Governance Forums (IGF), gegründet 2008, um dieses Manko zu überwinden.

 

Eines der obersten EuroDIG-Ziele ist die Abstimmung verschiedener Erfahrungen quer durch Europa über zentrale Fragen des Internets wie Sicherheit versus Integrität, freier Informationsfluss, Menschenrechte Online, Netz-Neutralität und die Rolle und Verantwortung von Regulierungsinstanzen und Unternehmen. Diese Debatten tragen für die Beteiligten entscheidend dazu bei, die Komplexität solcher Themen zu verstehen und entsprechendes Bewusstsein unter den europäischen Bürgern zu schaffen, wie sehr Internet-Regulierung ihren Zugang wie ihr Nutzungsverhalten beeinflusst.

 

Entscheidende Vorteile für Unternehmen

EuroDIG-übliche Debatten unter Einbeziehung aller Interessengruppen (Stakeholder) haben bisher gezeigt, dass politische Initiativen nicht isoliert erfolgen können, sondern nur in enger Abstimmung, wobei Innovationen der Wirtschaft nicht durch vereinzelte, nationale staatliche Regulierungsversuche zu behindern sind. Als schlechte Beispiele dabei gelten das französische Hadopi-Gesetz zur Verhinderung von Online-Piraterie („beim dritten Mal bist du draussen“) nebst anderen, die deutlich machen, dass herkömmliche Vorschriften und Verordnungen von Regierungen die Probleme nicht lösen können. In der digitalen Welt sind Filterung und Blockierung von Inhalten keine zeitgemässen Antworten auf anstehende Probleme in einer offenen Gesellschaft.

 

Vergleichbar sind die aktuellen Pläne der Deutschen Telekom zur Einführung eines neuen Tarifmodells für Neukunden, die simple Grundlagen wie Netz-Neutralität bedrohen. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Geschäftsmodelle zum Scheitern verurteilt sein können, wenn sie nicht offenkundige Interessen und Anliegen der Internet-Nutzer berücksichtigen. Umgekehrt gilt der holländische Vorstoss zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes, der erste in Europa, der Netz-Neutralität gesetzlich festschreibt, als Gegenentwurf bei den heutigen Herausforderungen zur Internetgestaltung.

 

Regionaler Austausch über solche Fragen überbrückt solche Gräben, schafft Zusammenhalt unter den Interessengruppen und bietet den Beteiligten ein besseres Verständnis über nationale Regulierungsübungen wie Alleingänge. Für die Geschäftswelt kann dies besonders wichtig werden, weil es dabei hilft, Unternehmen aller Grössen auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten und Orientierungshilfe bei nationalen Regulierungsversuchen zu bieten.

 

Globale Ergebnisse

Die Bestrebungen einiger Regierungen bei der Weltkonferenz zur Internationalen Telekommunikation (WCIT 12) vergangenen Dezember in Dubai, das Internet stärker zu kontrollieren, wurden von westlichen Ländern kategorisch zurück gewiesen. (http://www.zeit.de/digital/internet/2012-12/wcit-dubai-gescheitert)

Mit wenigen Ausnahmen verweigerten europäische Länder solche Eingriffe ins Internet und dessen bewährte Domain-Verwaltung und bekräftigten stattdessen die Leitlinien fürs Internet, die von der Weltkonferenz zur Informationsgesellschaft (WSIS) 2005 in Tunis verabschiedet wurden.

 

Tatsache bleibt, dass Änderungen bei der Internet-Politik erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftssektor wie dessen Kontinuität haben können. Das europäische Beharren beim WCIT-12 hat gezeigt, dass EU-Partner eine Übereinstimmung bei wichtigen strategischen Positionen zur Internet-Politik erreicht haben – zumindest bei Fragen der Offenheit für Nutzer und Handel. Aber ohne den offenen und einschliesslichen Prozess über Internetfragen in Europa wäre solche Abstimmung wesentlich schwieriger zu erreichen. Die europäische Debatte zum Internet ist offen für alle – insbesondere auch aus dem Wirtschaftsbereich –, denn Beteiligung ist ein Schlüssel zu Europas Erfolg bei der Schaffung von Rahmenbedingungen, die Wachstum in einer zunehmend verknüpften Welt fördern.